Vom Ursprung der Namen Schellenberg, Lichtenwalde und Neuensorge

Im 13. Jahrhundert blühte den alten Erzählungen nach das Raubrittertum auf der Burg des Schellenberges und in Lichtenwalde. Von den umtriebigen Räubern des Schellenberges berichtet bereits die Sage vom Höllengrund. Diese werden in der nun folgenden Sage aus der Mitte des 19. Jahrhunderts erneut erwähnt:

Nach Gottlob Daniel Staberoh, Chronik der Stadt Oederan (1847) S. 13

Auf dem Schellenberge, wo sich jetzt Augustusburg erhebt, trieb in ihrem Raubschlosse eine starke Zahl Räuber besonders heillos ihr Wesen. Ein ähnliches Raubschloß befand sich kaum 2 Stunden davon entfernt, jenseits der Chemnitzer Straße auf einem Waldhügel. Durch Signale standen sie in enger Verbindung. Wenn nämlich von Freiberg her jenseits der Oederaner Gegend Reisende mit Handelsgütern sich zeigten, so zogen die Räuber des Schellenberges eine Glocke an – daher der Name Schellenberg –, was für die jenseitigen Räuber das Zeichen war, sich an der Straße zur Plünderung bereit zu machen. Wenn hingegen von Chemnitz her sich die Reisenden sehen ließen, zündeten jene ein Feuer an, um dem Schellenberger ein gleiches Zeichen zu geben; daher der Name; denn der Wächter rief dann: »Licht im Walde!« Länger als 300 Jahre trieben die Räuber ungestraft dies Wesen; man weiß jedoch nicht, wer und wann es endigte.

Nun heißt es andernorts, weiter ausgeschmückt, folgendermaßen; die oben erwähnte oberirdische Sichtverbindung wurde – ganz fantastisch – unter die Erde verlegt; auch der Bau der Schellenburg wurde ein paar Jahrhunderte vordatiert:

Johann Gottlieb Harnisch, Die Schlösser Augustusburg und Lichtenwalde nebst ihren Umgebungen (Schellenberg 1863) S. 7

Auf dem Schellenberg stand sonst ein schon 790 von Karl d. Gr. erbautes Schloß,

Johann Gottlieb Harnisch möchte schon in seiner Chronik über Schellenberg-Augustusburg von 1860 die Erbauung der Schellenburg im achten Jahrhundert unter Karl dem Großen sehen, ibid., S. 11–12. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen dies nicht, siehe Y. Hoffmann, Augustusburg (Schellenberg), in: G. Fouquet/O. Mörke/M. Müller/W. Paravicini (Hrsg.), Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800). Ein Handbuch I.1 Analytisches Verzeichnis der Residenzstädte: Nordosten (Ostfildern 2018) S. 20. Die ältesten baulichen Strukturen der Schellenburg datieren u.a. anhand von Keramikfunden um 1220, V. Geupel/Y. Hoffmann, Die Ausgrabung der Burg Schellenberg, in: Stadt Augustusburg (Hrsg.), Schellenberg – Augustusburg. Beiträge zur 800-jährigen Geschichte (Augustusburg 2006) S. 181; Y. Hoffmann, Zur Datierung von Wohntürmen und Bergfrieden des 11. bis 13. Jahrhunderts auf sächsischen Burgen, in: Historische Bauforschung in Sachsen. Arbeitsheft 4 (Dresden 2000) S. 51.

welches aber einem Raubritter gehörte und mit den Schlössern Lichtenwalde und Neuesorge unterirdisch in Verbindung stand. Die Bewohner setzten einander in Kenntniß, wenn auf der Landstraße Reisende zu erblicken waren. Einst überfiel der Ritter von Schellenberg am Sylvesterabend des Jahres 1213 von Freiberg nach Ebersdorf pilgernde Wahlfahrer; allein er unterlag den sie vertheidigenden Klosterknechten, der größte Theil seiner Leute ward erschlagen, der andere in die Flöhe getrieben. Die Stelle, wo dies geschah, heißt noch der Höllengrund. Auf jene Raubritter bezüglich ist der Name „Schellenberg“ d. h. es schallt im Berg, ebenso Lichtenwalde = es ist Licht im Walde, und Neuesorge = es ist neue Sorge.

Zur Namensetymologie gibt derselbe Autor andernorts weiter folgendes an:

J. G. Harnisch, Chronik über Schellenberg-Augustusburg (Schellenberg 1860) S. 12.

(...) so zogen die auf Schellenberg eine Glocke und machten Lärm, dass es durch die dichten Wälder schallte; sobald man auf Lichtenwalde diesen Schall vernahm, zündeten diese eine Feuer, auf hohem Orte befindlich, an, zum Zeichen, dass sie bereit seien, dem rufe zu folgen, und durch dieses Licht im Walde sind die auf Neusorge ermahnt worden: es sei neue Sorge vorhanden. Die Etymologie hat aus diesen satanischen Zeichen die Worte abgeleitet: schallt im Berg - Schellenberg -, Licht im Wald - Lichtenwalde. Durch das Licht im Walde haben die Neusorger gewusst, es ist neue Sorge vorhanden, daher der Name Neusorge. (Ich denke mir so: da es nicht wahrscheinlich zu sein scheint, dass man den Schall der Glocke in Lichtenwalde vernommen, hat zwischen hier, Erdmannsdorf, Lichtenwalde und Neusorge Aufpasser gehabt, die das Zeichen durch Rufen weiter gegeben haben. - Der Verfasser [J. G. Harnisch].)

 

Literatur

J. G. T. Grässe , Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen I (Schönberg 1874) S. 526–527.
J. A. E. Köhler, Sagenbuch des Erzgebirges (Schneeberg und Schwarzenberg 1886) S. 464.