Vom Ursprung des Namens Höllengrund im Oederaner Walde

Nach Gottlob Daniel Staberoh, Chronik der Stadt Oederan, 1847, S. 14

Kurz vor Entstehung von Oederan veranstalteten die reich gewordenen Bewohner Freibergs eine Wallfahrt nach Ebersdorf bei Frankenberg, um daselbst am Marienbilde zu beten und reiche Geschenke darzubringen. Sie kamen glücklich durch die ausgedehnten Waldungen bis an den jetzigen Schieferbach bei Falkenau. Hier wurden sie plötzlich von den Räubern des Schellenbergs angefallen. Aber die Wallfahrer hatten sich eine starke Bedeckung von kampffähigen Männern mitgenommen, denen die Räuber unterlagen. Ihre Flucht über das Eis der Flöha, welches brach, mißlang gänzlich und sie suchten deshalb ihre Rettung in dem Walde. Doch auch hier ereilte sie das Verderben; sie wurden umzingelt, mit Feuerbränden hinausgetrieben und größtenteils erschlagen. Das Versteck der Räuber aber führt seit dieser Zeit zur Erinnerung an den teilweisen Feuertod der Räuber den Namen »Höllengrund.«

Nach Johann Gottlieb Harnisch, Chronik über Schellenberg-Augustusburg, 1860, S. 14

Eines Tages machten sich viele Bewohner Freibergs auf und unternahmen eine Wallfahrt nach Ebersdorf, um dem dasigen Kloster einen Teil ihres reichen Segens zu bringen. Frauen und Mädchen verherrlichten den Zug, welchen die Mönche mit Monstranz und allen Heiligtümern an der Spitze, eröffneten. Der Zug kam glücklich durch die fast undurchdringlichen Waldungen bis in die Gegend des Schieferbachs bei Falkenau. Die auf der Schellenberg befindlichen Raubritter, welche diesen Zug abgepasst hatten, überfielen hier die daherkommende, singende und fröhliche Pilgerschar. Doch diesmal machten sie schlechte Geschäfte. Dem Zug hatte sich eine starke Bedeckung von Klosterknechten angeschlossen, die diesmal die Oberhand behielten. Die Raubritter, welche über das Eis der Flöha flüchten wollten, brachen ein, wobei viele ertranken, die anderen flüchteten sich in den Wald, wo sie, einige Tage versteckt, mit Feuerbränden herausgetrieben und größtenteils erschlagen wurden. Ob die Wallfahrt ausgeführt wurde, ist in der Geschichte nicht aufzufinden. Der Name jener Gegend, im Oederaner Wald, heißt noch heute Höllengrund.

Nach Schuldirektor Jungandreas, Oederan

Wer von Falkenau nach Oederan auf der Staatsstraße wandert, kommt bald nachdem er den Wald ereicht hat, an einem rechts von der Straße gelegenen tiefen Waldgrunde vorüber, der den Namen „Höllengrund“ führt. Woher dieser Name stammt, erzählt uns folgende Sage:

Das Jahr 1212 hatte der Stadt Freiberg so reichen Silbersegen gebracht, daß beschlossen ward, der Gottheit ein frommes und reiches Dankopfer darzubringen. Man sah sich nach einem berühmten Wallfahrtsort um und wählte gar bald den berühmtesten der damaligen Zeit, der sich in Ebersdorf bei Lichtenwalde befand. Am Silvestertage des Jahres 1212 zogen mehr als tausend Einwohner, Bergleute, Mönche und Klosterknechte aus, um nach Ebersdorf zu wallfahrten. Voran zogen einige Schirmvoigte, dann kam ein Mönch, der das Kreuz trug, ihm folgte die Schar der Mönche. An diese schloß sich der Träger der reichen Opfergaben, der unter einem Thronhimmel einherging, welcher von Mönchen in kostbaren Messgewändern getragen wurde. Hinter diesen kam die Menge der Frauen und Jungfrauen, alle in ihrem höchsten Schmuck gekleidet, der in bunten Perlen und Steinen, Borten und Fransen, hauptsächlich aber in Samt und Scharlach bestand. Aller dieser Schmuck aber war an diesem kalten Tage von Fuchs-, Wolf-, und Bärenfellen umhüllt. Den Zug beschloss die Bedeckung von Bergleuten und Klosterknechten.

Der betende, singende und jubelnde Zug gelangt glücklich in die Gegend von Oederan. An der ersten ärmlichen Wohnung geht der Zug vorbei, dem wilden Walde zu, der sich ringsum ausdehnte. Hier wird er schon seit 2 Tagen von der Lichtenwalder und Schellenberger Räuberschar erwartet, die Kunde von dieser Wallfahrt erhalten hatte. Ahnungs- und sorglos schreiten die ersten Abteilungen in Walde fürbaß. Da fallen die Räuber über sie her, sie werden augenblicklich zerstreut und in der ersten Verwirrung allen Schmuckes, der Heiligtümer und Opfergaben beraubt. Schon eilen die Räuber mit ihren Schätzen dem Wasser (Flöha) zu, um über dasselbe nach Schellenberg zu entkommen. Da endlich kommt die Bedeckung herbei, um die Bande zu ergreifen. Ein Teil derselben hat glücklich den Fluss erreicht, aber die noch schwache Eisdecke vermochte die Masse der Flüchtlinge nicht zu tragen. Sie brechen ein und die erbitterten Freiberger stoßen sie noch hinab ins nasse Grab. Ein anderer Teil der Räuber eilte am Wasser aufwärts, um die ihnen wohlbekannte und vielleicht oft benutzte Schlucht als Schlupfwinkel zu erreichen. Aber die zahlreiche Bedeckung war stark genug, sie allda gänzlich einzuschließen. Man nahm fürchterliche Rache. Mit großer Mühe wurde nämlich, so gut es sich um diese Jahreszeit tun ließ, die ganze Wildnis in Brand gesetzt, um die Mörder durch Feuer zur Ergebung oder zum Tod zu bringen. Nach vier Tagen erst waren sie sämtlich verbrannt oder erschlagen. Der größte Teil des Raubes aber ward wiedergefunden.

Seit dieser Zeit trägt die Schlucht den Namen „Höllengrund“.

 

Literatur

J. A. E. Köhler, Sagenbuch des Erzgebirges (Schneeberg und Schwarzenberg 1886) S. 473.
H. Seifert, Die Ortsgeschichte des Dorfes Falkenau in Sachsen (Flöha i. Sa. 1938) S. 197-198.
E. W. Ziehnert, 17. Die Betfahrt nach Ebersdorf, in: Sachsens Volkssagen. Balladen, Romanzen und Legenden 3 (Annaberg 1839) S. 184-186.